(Fast) immer geradeaus

1700 Kilometer haben wir in den letzten 4 Tagen hinter uns gebracht. Wir sind praktisch in einem Rutsch von Ushuaia bis Chile Chico durchgefahren. Das geht ganz gut, wenn man sich zu zweit ablösen kann. Und wir kennen ja die Route schon vom Südwärts-Fahren.
Nichtsdestotrotz: so ganz ungefährlich ist die Sache nicht. Zwar sind die wesentlichen Strassen asphaltiert. Aber zwischendurch kürzt man halt über Schotterpisten ab. Dann holpert es schnell mal wieder für 100 Kilometer.
Abgesehen davon: auch auf Asphaltstrassen muss man aufpassen. Der starke Wind rüttelt kräftig am Auto. Man muss ständig gegensteuern. Dann laufen immer wieder mal Tiere über die Strassen. Vögel, Hasen, Füchse. Aber auch Guanakos. Einmal kam uns sogar eine ganze Schafherde entgegen. Minutenlang ’schwammen‘ wir in Hunderten von Schafen.
Und dann darf man die Kurven nicht unterschätzen. Die Kurven selbst sind zwar nicht so arg. Aber wenn man minutenlang schnurgeradeaus fährt, dann muss man gut Acht geben, dass man die Kurve kriegt. Teilweise geht es 10, 20, gar 50 Kilometer einfach geradeaus. Und dann gibts eine klitzekleine Kurve, bevor man wieder eine kilometerlange Gerade vor sich hat. Tückisch, zumal man auf der Geraden schnell mal auf 120 Stundenkilometern oben ist. Oder mehr… auf dem Weg sind uns einige Autowracks begegnet, die am Strassenrand verrosten. Einige durchaus neueren Datums.
Item: bei uns ist alles gut gegangen. Die Fahrt war anstrengend, aber immer kontrolliert. Heute haben wir uns einen Ruhetag gegönnt, bevor wir morgen weiterfahren. Für einmal lassen wir uns dann kutschieren. Wieder mal auf einer Fähre.

Lue zersch wohär dass dr Wind wääit

Der patagonische Wind hat es in sich. Da muss man gut schauen, dass man beim Pinkeln richtig steht.
Heute hatten wir ausgiebig Gelegenheit, uns mit diesem Wind Sturm herumzuschlagen. Wir sind von Ushuaia aus quer durch Feuerland nach Norden zurückgefahren. Zuerst auf der schnellen Teerstrasse, dann ab Rio Grande querfeldein.
Der Wind hat dabei kräftig an unseren 2.5 t Auto gerüttelt. Ein- und Aussteigen war meist ein Kraftakt. Man muss die Türe richtiggehend aufstemmen. Die Staubfahnen der Piste waren teilweise kilometerweit zu sehen.
Landschaftlich gibt es nicht allzu viel zu sehen. Die Gegend ist flach, am Boden trotzen flache, drahtige Grasbüschel dem starken Wind. Sonst wächst hier nix. Ab und zu steht ein Büschel auf, geht ein paar Schritte und kauert sich dann wieder möglichst flach in eine Nische. Das war dann kein Grasbüschel sondern ein Schaf. Von denen hat es viele. Dazwischen ab und zu eine Erdölpumpe. Und das war’s.
Trotzdem oder gerade deswegen ist es toll, durch diese Landschaft zu fahren. Diese Weite, diese Leere…
An der Bahía Inutíl angekommen – der unnützen Bucht – sehen wir Pinguine. Eine Kolonie Königspinguine hat es aus unerklärlichen Gründen hierher verschlagen. Jetzt bleiben sie hier und watscheln ungeachtet des Windes zufrieden herum, während nebendran das Meer schäumt.
Mit diesem starken Wind kann heute Abend die Fähre ans Festland nicht ablegen. Also stranden wir mit vielen anderen in einem Kaff namens Cerro Sombrero. Ein Restaurant, ein Hotel. Und wie immer, wenn es nur eines gibt: grosse Preise, kleine Zimmer und alles schön siffig. Das Bett ist aber sauber, die Heizung funktioniert und so schlafen wir auch in dieser Nacht gut, während draussen immer noch der Wind rauscht.

Am Ende der Welt

Wir haben es geschafft: wir sind in Ushuaia angekommen. Die Stadt, die sich gerne „das Ende der Welt“ nennt. Naja, so genau stimmt das natürlich nicht, denn einige Kilometer weiter südlich hat’s nochmals ein kleines Örtchen. Und dann hat’s auf der chilenischen Seite noch ganz viele kleine Siedlungen und bewohnte Inseln, aber da nehmen es die Argentinier halt nicht so genau.

Die Chilenen und die Argentinier sind sich in dieser Gegend politisch nicht ganz so wohlgesinnt. Denn eigentlich machen sich die Argentinos hier auf chilenischem Land ganz schön breit. Frech haben sie hier ein grosses Stück von Feuerland an sich genommen und einfach mal diese Stadt namens Ushuaia gegründet. Der Staat zahlt kräftig Subventionen, damit Leute und Unternehmen sich niederlassen. Man will Präsenz markieren, obwohl Ushuaia auf dem Landweg nicht mal direkt von Argentinien her erreichbar ist. Der Weg führt immer über Chile.

Dennoch: der Plan funktioniert. Ushuaia blüht und wächst ständig. Ziemlich unkontrolliert werden hier Häuser aufgezogen, Wald gerodet und man hat den starken Eindruck, dass es die Technik der Raumplanung noch nicht so recht bis hierhin geschafft hat. Das Ganze fühlt sich ein wenig an wie Wilder Westen, bzw. eben Wilder Süden. Dazu passt, dass die ganze Stadt mit ihrem Hafen eine Zollfreihandelszone ist. Diverse DutyFree-Shops laden zum Einkaufen ein. Billiger ist es deswegen nicht, denn wo so viele Touristen sind, da kann man auch ordentlich Geld verlangen.

Das Gezänk mit Chile kommt nicht von ungefähr. Ganz in der Nähe zankt man sich ja auch noch mit Grossbritannien um die Falklandinseln. Der Grund liegt auf der Hand: Der Zugang zur Antarktis. Schon jetzt ist Ushuaia DER wichtigste Hafen, um in die Antarktis zu gelangen. Sowohl für Touristen wie auch für den Frachtverkehr. Und falls irgendwann der Antarktis-Vertrag mal nicht verlängert wird und die Gegend da unten an Staaten verteilt wird, dann wollen hier alle ein Stückchen abhaben. Schliesslich winken unter dem Eis Rohstoffe in Hülle und Fülle. Hoffen wir, dass der Antarktis-Vertrag nie aufgekündigt wird, denn darin ist für den Moment geregelt, dass der südlichste Teil unserer Erde niemandem gehört und auch von niemandem ausgebeutet werden darf.

Item: hier in Ushuaia spürt man Feuerland pur. Es weht ein beständiger kalter Wind.  Mit Wind ist dabei eher Sturm gemeint, der einem unverhofft ziemlich aus dem Tritt bringen kann. In einer Minute scheint die Sonne, dann fällt bereits wieder Schnee. Das typische Klima für den Süden Feuerlands. Im Norden der Tierra del Fuego ist es wesentlich trockener, der Wind hat sich da an den südlichen Ausläufern der Anden bereits ausgeregnet und so weht er im Norden zwar ebenso stark, aber auch wärmer. Wir haben gestern die Gegend von Norden her durchfahren, eine etwas einsame Angelegenheit, denn ausser viel Gras gibt es wenig zu sehen. Ganz im Süden hat’s dann eben nochmals ein paar Berge und dann landet man unverhofft hier am Beagle-Kanal, wo der südamerikanische Kontinent jäh endet.

Wir haben damit den südlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Ab morgen fahren wir wieder nordwärts. In den letzten 5 Wochen haben wir 5530 km zurückgelegt. Die müssen wir jetzt innert 2 Wochen wieder zurück. Naja, ganz so viele Schlaufen wie auf dem Hinweg machen wir natürlich nicht. Trotzdem brauchen wir gute 6 Tage, um wieder nach Puerto Aysen zu gelangen. Dort nehmen wir dann die Fähre und fahren rüber nach Quellón. Danach sind es dann nochmals rund 4 Tage, bis wir wieder in Puerto Montt am Ende bzw. Anfang unserer Autoreise stehen.

Torres del Paine

Die letzten Tage haben wir in und um Puerto Natales verbracht. Dieses kleine chilenische Städtchen ist das Eingangstor zum Torres del Paine-Nationalpark – ein weiteres patagonisches Highlight. Und es geht noch weiter südwärts.

Nachdem wir in El Chaltén den Fitz Roy und in El Calafate den Perito Moreno bei schönstem Wetter bestaunt und genossen haben, sind wir wieder nach Chile gewechselt und haben uns das dritte Juwel dieser Gegend angeschaut. Der Nationalpark Torres del Paine ist bekannt für die 3 nadelartigen Granitberge gleichen Namens. Dem Namen nach sind das die „Türme des blauen Himmels“. Selbigen haben wir leider nicht gesehen. Nachdem wir nun über 4 Wochen bei absolutem Wetterglück, sprich: Sonnenschein durch die Gegend gefahren sind, mussten wir die letzten 2 Tage mit ein paar Wolken leben. Bei weitem noch kein schlechtes Wetter, bloss haben wir die Zinnen halt immer vor gräulichem Hintergrund gesehen. Allerdings sind patagonische Wolken mindestens genauso sehenswert wie die ganze Landschaft. Die heftigen Winde zaubern Formen und Farben in den Himmel, da muss man auf dem Wanderweg manchmal ganz schön aufpassen, dass man vor lauter Hans-Guck-in-die-Luft nicht plötzlich den Boden küsst.

Der Nationalpark hat allerdings nicht nur 3 Granitnadeln zu bieten sondern natürlich auch Gletscher. Und eine Landschaft, die deutlich von Gletschern geprägt wurde. Verschiedenfarbige Gletscherseen zwischen rundgeschliffenen Felsen. Dazwischen kleine Bäumchen und zähe Grasbüschel, die der heftigen Witterung widerstehen. Im Park trifft man immer wieder auf Guanakos, die hiesige Lama-Art sowie Nandus, eine südamerikanische Straussenart. Die Landschaft ist einmal mehr bezaubernd, wenngleich sich zumindest bei mir ein gewisses Sättigungsgefühl einstellt. Wir haben in den letzten Wochen so viele Berge, Gletscher und Seen gesehen, dass es schwer wird, das Niveau hochzuhalten :-)

Bei einem unserer Picknick-Halte sind wir darauf gekommen, dass wir uns momentan auf rund 51° südlicher Breite befinden. Wir werden in den nächsten Tagen noch weiter südwärts fahren. Aufgrund des durchgehend guten Wetters haben wir genug Zeit, um ganz runter nach Ushuaia zu gelangen. Viel weiter südlich kann man eigentlich per Auto gar nicht reisen. Man könnte noch aufs Schiff umsteigen und in die Antarktis schippern – aber das machen wir dann ein anderes Mal.

Damit hat uns unsere Reise von 53° Nord (Hamburg) dann ziemlich genau nach 53° Süd (Ushuaia) geführt. Für Geografen wie mich ein schönes Zahlenspiel. Mit Ushuaia reissen wir auch unseren persönlichen Süd-Rekord: unser südlichster bereister Ort war bisher Invercargill in Neuseeland auf rund 46° Süd. Im Norden kamen wir natürlich schon über Hamburg hinaus. Letztes Jahr in Finnland oder dann noch zu Uni-Zeiten, als ich mit einer Exkursion Spitzbergen (rund 78° Nord) besuchen durfte. Damit wäre der Erdball von Nord nach Süd bereist. Bleiben noch die beiden Pole. Und von Ost nach West haben wir auch noch genug Flecken, die wir noch nicht gesehen haben…

Breaking: Best.Hotel.EVER

Eigentlich wollten wir ein Kühlhaus besichtigen. Gelandet sind wir in einem Hotel-Traum.
Die Geschichte geht so: Basis für den Erfolg im Fleischhandel war die Möglichkeit, Fleisch zu kühlen und zu lagern, damit es dann per Schiff transportiert werden konnte. Zu diesem Zweck wurden grosse Kühlhäuser errichtet wie dieses hier in Puerto Natales, in dem über 850000 Tonnen Fleisch gekühlt und gelagert werden konnten.
Wir lesen auf einer Postkarte davon, dass man diese inzwischen stillgelegten historischen Hallen besichtigen könne. Spannend, also nix wie hin.
Bei der Anfahrt sind wir etwas irritiert. Das Tor ist verschlossen. Etwas weiter oben gibt es eine zweite Einfahrt, die zu einem Hotel führt. Da wollen wir uns nach dem Museum erkundigen, also folgen wir dem Wegweiser zur Reception. Wir betreten eine Wellblechscheune. Unsere Irritation wird grösser. Im Schuppen stehen etwa 6 blitzblanke weisse Geländefahrzeuge mit dem Namen des Hotels. Ganz hinten in der Scheune hats eine geräumige Glaskabine – die Reception. Da gehen wir hin und erfahren: das Museum gibt es nicht mehr. Aus der Fleischkühlfabrik wurde ein Hotel der gehobenen Kategorie. Ob wir denn trotzdem einen Blick werfen könnten? … Klar, kein Problem, bitte sehr.
In Faserpelz und Jeans betreten wir ein kleines Polybähnli. Wir waren den ganzen Tag auf staubigen Pisten und haben noch nicht geduscht. Immerhin haben wir die Trekking-Schuhe im Auto gelassen.
Die Standseilbahn bringt uns an die richtige Reception. Oben war nur der Vorposten. Und wir staunen: die ganze Kühlfabrik wurde ausgehöhlt und innen komplett neu zu einem Hotel gestaltet. Dabei wurden aber die alten Maschinen und Räume erhalten. Wir dürfen alles besichtigen. Die Hotelgäste gehen auf dem Weg in ihre Zimmer durch den alten Heizungs- und Maschinenraum. Heizung? In einem Kühlhaus? Ja, denn Kühlen mit Ammoniak braucht Energie. Die Energie kommt von einem Generator und dieser wurde mit Dampf betrieben. All das kann man noch anschauen, die schweren Geräte werden als Teil des Hotels liebevoll ausgestellt.
Wir gehen in die Bar. Diese befindet sich in einer ehemaligen Lagerhalle. Uns erwarten alte Backsteinwände, ein riesiger offener Kamin, in dem ein Feuer brennt. Dazu bequeme Sofas und Lederstühle direkt aus dem Antiquitätenladen. Unglaublich schön! Darauf einen Pisco Sour!
An die Bar angrenzend der Speisesaal. Einladend! Also beschliessen wir – trotz unseres Aufzugs – zu bleiben und zu essen. Das Essen ist göttlich. Der Wein natürlich auch. Wir können uns nicht sattsehen an all den liebevollen Details. Überall Gegenstände, Nippes und Fotos aus der alten Fabrik. Unglaublich, was wir da entdeckt haben. Und eigentlich wollten wir nur ins Museum ;-)
Der Name des Hotels: THE SINGULAR. Einzigartig