Die Freiheit nehm ich mir

Auf den langen Fahrten sollte man von zwei Dingen immer genug haben: Benzin und Geld. Das wäre heute fast schiefgegangen.
Mit dem Benzin gab es keine Probleme. Da sind wir seit dem zweiten Tag wachsam, denn bei unserer ersten längeren Fahrt mussten wir feststellen, dass es in Chile nicht an jeder Ecke Benzin gibt. Das Lämpchen leuchtete bedrohlich rot und innerhalb von rund 50km gab es keine Tankstelle. Anfängerfehler, und wir hatten keine Ahnung, wie weit wir mit unserem Riesendings noch kommen würden. Ein Bauarbeiter kannte dann einen, der noch ein Fläschchen Bleifrei in der Scheune hatte und im nächsten Dorf konnte uns eine nette Dame dann nochmals mit ein paar Litern aushelfen.
Heute nun das andere Problem. Wir sind der Carretera Austral weiter nach Süden gefolgt und geniessen auf der holprigen Schotterpiste die sensationellen Ausblicke auf hängende Gletscher, Wasserfälle und geheimnisvolle Wälder. Dazwischen machen wir Halt in kleinen Städtchen, wo wir uns jeweils eine Unterkunft suchen, etwas Leckeres essen und dazwischen sogar mal in den warmen Thermen baden gehen.
Nun gibt es leider nicht in jedem Dorf einen Bankomaten. Heute haben wir – ziemlich blank – das Küstenstädtchen Puerto Cisnes angesteuert. Gemäss Karte gibt es hier den nächsten Bankomaten, der nächste ist dann doch nochmals 170 km entfernt.
Dummerweise ist der hiesige Automat kaputt.
Das ist jetzt blöd.
Nach längerem Suchen finden wir zwar ein hübsches Hotel, aber da langt die Kohle nicht. Mit VISA kann man leider nirgends zahlen. Und Znacht sollten wir auch noch irgendwie haben.
So kurven wir in der knallenden Abendsonne durch den Ort, fragen in diversen Cajeras und Supermercados, ob wir irgendwie mit VISA Geld beziehen können. Leider hat’s nirgends eine ein entsprechendes Gerät. Schliesslich – nach rund einer Stunde – der rettende Hinweis auf einen Supermarkt, wo der Deal möglich sein sollte. Und tatsächlich: bei einem kleinen Einkauf berechnet uns die Kassendame etwas mehr und gibt uns dann etwas Bargeld heraus.
Nun müsste allerdings noch die Karte funktionieren. Tut sie nämlich nicht. Also zurück ins Auto, wir haben ja noch eine zweite Karte dabei. Und mit der klappt es dann auch tatsächlich. Viel bekommen wir nicht, aber es genügt für ein Zimmer mit Znacht. Gerettet!
So blieben uns heute Abend die 170 Kilometer Fahrt erspart. Die machen wir dann morgen und hoffen, dass der dortige Bankomat funktioniert. Und bei der Gelegenheit werden wir wohl zur Sicherheit auch gleich mal wieder tanken.

Wir sind wieder drin

Chile hat uns wieder. Der Zoll war schnell erledigt. Nun gibt’s erst mal Znacht.

Von Chile nach Argentinien

Den Grenzübertritt von Chile nach Argentinien haben wir gestern in vielfältiger Art und Weise „erfahren“. Von Chaitém ging es zuerst mal weiter auf der Carretera Austral, zuerst auf geteerter, dann wieder auf geschotterter Strasse. Vorbei an Seen und Flüssen durch die satte, grüne chilenische Vegetation. Die Strasse führte immer höher, die Vegetation wurde etwas lichter. Allerdings ist die Andenkette in dieser Region nicht gar so hoch und so haben wir den Pass bald erreicht, auf dem die Grenze zwischen Chile und Argentinien lag. Von da waren es dann nochmals gut 40km fahrt bis Trevelin, wo wir übernachteten.

Den Klimaunterschied zwischen Chile und Argentinien erlebt man sehr direkt. Auf chilenischer Seite ist es feucht, neblig, regnerisch. Das kommt daher, dass sich die pazifischen Winde an den Berghängen ausregnen. Auf der argentinischen Seite hinter der Andenkette ist die Luft dann bereits trocken und zudem fliesst sie über dem Kamm wieder einige Höhenmeter hinunter. Dadurch entsteht das, was wir bei uns in der Schweiz als Föhn kennen. Warme, trockene Luft, wolkenloser Himmel. Vom Faserpelz zu den kurzen Hosen also.

Den Grenzübertritt haben wir aber auch noch in anderer Hinsicht erlebt. Wir standen gestern frohen Mutes am chilenischen Zoll. Da wir ein chilenisches Auto haben, müssen wir dieses beim Grenzübertritt deklarieren – wir mussten beim Autoverleiher vorher die entsprechende Erlaubnis zum Grenzübertritt einholen. Nur leider fehlten uns einige wichtige Papiere. Der chilenische Zollbeamte liess uns nicht raus. Also zurück ins letzte Dorf mit dem schönen Namen Futaleufú. Darunter darf man sich nichts Grosses vorstellen – ein paar Häuser, eine Plaza und eine Kirche. Aber immerhin so gross, dass es Gott sei dank einen lokalen Computerfreak gab, der in seinem „Laden“ so ziemlich alle benötigten technischen Geräte zur Verfügung hatte: Computer mit Internetanschluss, Drucker und Scanner. Also bei der Verleihstelle (in Puerto Montt, immerhin 3 Reisetage entfernt und die wollten zuerst, dass wir das Dok am Schalter abholen) anrufen, Dokument per Mail zusenden lassen. Ausdrucken. Unterschreiben. Scannen. Zurückschicken, damit der Autoverleiher seine Stempel druntersetzen kann. Dann wieder an uns mailen und nochmals ausdrucken. Hat dank technischer Unterstützung gut geklappt und auch nur 3 Stunden gedauert.

Dann nochmals zum Zoll. Dieses Mal ist der chilenische Beamte zufrieden. Also weiter zum argentinischen Posten. Hier schüttelt der Zollbeamte den Kopf, er hat keine Ahnung, wie er unseren Grenzübertritt in seinem Computersystem erfassen muss. Nach langem Hin und Her mit seinem Kollegen und weil er grad Zeit hat und weil Paola so charmant mit ihm plaudert klappt es dann doch irgendwie. Der Weg ist frei.

Allerdings hat uns die ganze Sache soviel Zeit gekostet, dass nun alle Unterkünfte in Trevelin schon ausgebucht sind. Bis auf eine Posada etwas ausserhalb des Städtchens. Also zurück in die Richtung, aus der wir gerade gekommen sind. Inzwischen ist es stockdunkel. Auf der Schotterpiste schleichen wir langsam vor uns her, es ist schwierig, links und rechts die Schilder zu erkennen. Wir finden die Posada nicht. Keine Chance. Also umkehren, zurück ins Städtchen, nochmals fragen. Dieses Mal kriegen wir genaue Auskunft, wo wir suchen müssen. Nochmals zurück auf die Piste. Und siehe da: so gegen 23 Uhr haben wir unser Nachtlager gefunden. Ein sehr schönes übrigens bei Jorge, der uns freundlich aufnimmt und froh um Gesellschaft ist. Wären wir beim ersten Versuch im Dunkeln nur noch 300 Meter weitergefahren, dann wären wir übrigens direkt beim Eingang zur Posada gelandet.

Naja. Immerhin gab es dann doch noch ein bequemes Bett, heute ein gutes Frühstück und ein Ausflug in den hiesigen Nationalpark. Allerdings waren uns auch da die Reisegötter nicht ganz so hold: Aufgrund einer sehr hohen Rattenpopulation sind momentan alle Wanderungen im Nationalpark untersagt. Hanta-Virengefahr. Nicht wandern, nicht aussteigen, nichts anfassen. Eigentlich durften wir gar nichts machen ausser mit dem Auto durch den Park fahren. Das hat sich immerhin gelohnt, der Ausblick auf die blauen Seen unter strahlender Sonne mit Blick auf Gletscher war durchaus reizvoll.

Morgen geht es dann wieder zurück nach Chile – mal schauen, ob sie uns wieder reinlassen.

Chaitén

In den letzten 3 Tagen hat sich unser Auto bewähren müssen. Sintflutartige Regenfälle und löchrige Schotterpisten machten unsere Fahrt von Puerto Montt nach Chaitén ziemlich abenteuerlich.
Doch der Reihe nach. Nachdem wir den Beginn der Woche in einer lieblichen Ecke der Chiloé-Insel verbrachten, sind wir gestern von Puerto Montt auf der Carretera Austral südwärts gestartet. Die Carretera ist quasi das chilenische Pendant zur Panamericana – eine 1350 Kilometer lange Nord-Süd-Verbindung, deren Bau unter Dem Diktator Pinochet gestartet wurde. Ein Riesenprojekt, für welches Tausende von Strafgefangenen schuften mussten. Nicht die ganze Strecke kann dabei im Auto zurückgelegt werden. In den zahlreichen Fjorden müssen Fähren die Autos übernehmen. So gibt es auch zwischen Puerto Montt und Chaitén, unserem Ziel, zwei Fährstrecken.
Die erste Etappe am Mittwoch verlief planmässig bei heiterem Sonnenschein. Gestern dann der Wetterwechsel: es goss aus Kübeln. Wir fuhren in Hualaihué auf die Fähre und verzogen uns an die Wärme im Salon. Von der Fahrt haben wir hinter den beschlagenen Scheiben kaum was mitbekommen. Nach rund 3 Stunden wurden wir wieder an Land gelassen. Von da an ging’s auf einer durchlöcherten Schotterpiste durch den chilenischen Urwald. Schön in der Kolonne, denn natürlich musste da die ganze Fährladung den gleichen Weg nehmen.
Nach rund 10 Kilometern stand der ganze Tross dann wieder am Wasser. Eine weitere – etwas kleinere Fähre stand bereit und wurde beladen. Auto um Auto, bis noch etwa 10 Wagen dastanden – inklusive unserem. Die Fähre tutete 3 Mal – und weg war sie.
So standen wir also da, im strömendem Regen, und warteten. Nach rund einer Stunde kam dann auch tatsächlich eine zweite Fähre und sammelte uns noch ein. Inzwischen war es Abend, wir hatten langsam Hunger. Im Auto wurde es langsam frisch und es hörte nicht auf zu regnen. Eine weitere Stunde später fuhren wir wieder an Land und begaben uns erneut auf die Schotterpiste. Das nächste Dorf – unser Ziel Chaitén – lag noch rund 60 km entfernt.
Hab ich schon erwähnt, dass es regnete? Links und rechts und auf der Schotterpiste muntere Bächlein, auf der Piste viele gefüllte Schlaglöcher. Und von oben stetiger Regen und langsam auch Dunkelheit. Die Piste führte weiter durch den Urwald hindurch, an Vulkanen vorbei, von denen wir wieder mal absolut nichts mitbekommen haben. Ein Teilstück führte durch jene Schneise, die 2009 bei einem Kurzen Hustenanfall des Vulkans Chaitén entstand – im Scheinwerferlicht und durch den Regen ein groteskes Bild.
Um 22 Uhr trafen wir dann wohlbehalten in Chaitén ein, erwischten mit Glück noch eine Unterkunft und belohnten uns mit einem guten Essen. Und wir dankten unserem Auto, das uns letztlich sehr komfortabel durch diesen Tag getragen hatte.
Heute dann ein etwas freundlicherer Tag. Die Sonne vertrieb die Wolken und wir nutzten die Gelegenheit, um nochmals ein paar Kilometer zurückzufahren und uns die Gegend bei Tageslicht anzuschauen. Beeindruckend, welche Schneise der Vulkanausbruch vor 5 Jahren hinterlassen hat. Wohlgemerkt „nur“ durch Ascheregen und Erdbeben, verbunden mit Erdrutschen. Lava kam keine raus. Die toten, weissen Bäume stehen noch da und werden nun von der kräftigen grünen Urwaldvegetation wieder überwachsen. Der See sieht bei Sonnenschein wunderbar friedlich aus und der Vulkan pufft und dampft über uns harmlos vor sich hin. Kurzum: ein Tag, der uns wieder milde stimmte :-)