Home sweet home

Irgendwann ist auch die schönste Reise zu Ende. 3 Monate waren wir unterwegs, 8050 Autokilometer haben wir zurückgelegt. Dazu Tausende von Schiffs- und Flugzeugkilometern. Vom hohen Norden in den tiefen Süden sind wir gereist. 5705 Fotos haben wir nach Hause gebracht. Unzählbar die Erinnerungen und Erfahrungen, die wir gemacht haben.

Die Rückreise war lang. Da ich in Flugzeugen einfach nicht schlafen kann, war dieser 12-Stunden-Flug einmal mehr eine Qual. Ich weiss jetzt wieder, warum wir auf der Hinreise das Schiff genommen haben :-) Naja, immerhin: der Bordservice der Lufthansa war wirklich vorbildlich. Das Essen sogar einmal geniessbar. Und das Bordprogramm hat mich durch die schlaflose Nacht gebracht. Der Hobbit I und II, damit war die Hälfte der Nacht schon vorbei…

In Frankfurt dann noch ein kurzer Transit, ein Hüpfer nach Zürich und schon war ich im Schweizer Frühling gelandet. Noch ist der Schlafrhythmus nicht ganz im Lot, aber im Grossen und Ganzen hab ich mich schon wieder gut eingelebt. Der Alltag geht schnell wieder los. Was bleibt, ist eine gewisse Leichtigkeit und Entspanntheit, die hoffentlich noch lange anhält. Es tut gut, das Leben in der Schweiz ständig ein wenig mit dem Leben in Südamerika zu vergleichen. Das entschleunigt :-)

Eine grosse Arbeit wartet nun auf mich, die zugleich eine Riesenfreude ist: Besagte 5705 Fotos wollen sortiert, bewertet und verwertet werden. Es ist schön, in den Erinnerungen zu schwelgen. Oft entdeckt man auf den Fotos noch Dinge, die man beim Fotografieren gar nicht bemerkt hat. Beim Blättern durch die Fotosammlung kann ich nochmals zurückreisen. Durch die Verwendung eines GPS beim Fotografieren weiss ich nun bei jedem Foto, woher es stammt und ich kann uns auf Google Maps nochmals nachreisen. Das macht Spass und wird mich noch viele Stunden fesseln :-)

Voll im Sumpf

Die Esteros del Iberá sind das zweitgrösste zusammenhängende Feuchtgebiet der Erde. Rund 13000 km2 Sumpf, Seen und Grasland. Heimat für eine vielfältige Flora und Fauna. Kaimane sonnen sich auf Grasinseln, die teils frei im Wasser schwimmen. Hirsche und Wasserschweine waten durch den Sumpf. Und dann trifft man natürlich Hunderte von Vogelarten, darunter Störche, Reiher, Eisvögel oder Kibize. Schlangen, Spinnen und viele Insekten dürfen nicht fehlen.

Wir erkunden den Sumpf bequem von der Lodge aus per Boot. Unsere Guides wissen genau, wo sie uns hinfahren müssen. Wir können ganz nahe an die Kaimane ran. Auch die Hirsche lassen sich nicht stören. Die Wasserschweine grasen ungerührt weiter. Meist übrigens mit einem Vogel auf dem Rücken. Dieser reitet im Trockenen mit und stürzt sich auf kleine Fische oder Insekten, die durch die pflügenden Schweine aufgeschreckt werden.

Heute dann ein besonderes Schmankerl: Piranhas fischen! Man spiesst ein Stück Poulet an einen Hacken, hängt diesen ins Wasser und 10 Sekunden später kann man den Piranha rausziehen. Sie beissen recht fleissig, sind aber teilweise so clever, dass sie auch einfach das Poulet vom Haken wegknabbern. Aus der Nähe sehen die Viecher schon recht gefährlich aus. Die Zähne sind messerscharf, die Fische selbst bestehen hauptsächlich aus Gräten und sie zappeln recht kräftig umher. Hält man ihnen ein Zweiglein ins Maul, schnappen sie zu. Auch dünne Ästchen durchbeissen sie locker. Wirklich gefährlich sind sie aber nur für andere Fische. Normalerweise könnte man hier trotz der Piranhas problemlos baden. Wir verzichten.

Die einzigen wirklichen Feinde für die Piranhas sind die Kaimane. Deren Zähne sind noch etwas schärfer, das Gebiss noch etwas kräftiger. Schnappt ein Kaiman einen Piranha, wird nicht lange gefackelt. Lange Zeit wurden die Kaimane hier im Sumpf gejagt. Als Folge davon gab es immer mehr Piranhas und als Folge davon wiederum immer weniger andere Fische. Inzwischen stehen die Kaimane unter Schutz und das System hat sich wieder erholt.

Überhaupt scheint es uns, dass die Leute hier ihrem Sumpf Sorge tragen. So ist es beispielsweise nur zu gewissen Zeiten möglich, mit dem Boot rauszufahren. Damit ist sichergestellt, dass die Tiere auch mal ihre Ruhe haben.

Und wir auch :-)

Pinienwälder

Für die letzten gemeinsamen Tage in Argentinien haben wir uns noch ein Zückerchen ausgesucht. Wir besuchen Regi, eine Kanti-Kollegin von Paola. Regi ist vor Jahren nach Argentinien ausgewandert und hat hier eine Lodge aufgezogen. Die Irupé-Lodge (www.ibera-argentina.com) befindet sich ganz im Norden Argentiniens in einem riesigen Sumpfgebiet, ähnlich dem brasilianischen Pantanal. Hier geniessen wir noch ein paar ruhige Tage und lassen uns zu Fuss, zu Ross oder zu Boot die örtliche Flora und Fauna zeigen.

Der Weg zur Lodge führt uns ein kurzes argentinisches Stückchen entlang von Eukalyptus- und Pinienwäldern zur Laguna Ibéra. „Argentinisch“ heisst: Vier Stunden Piste, die von den intensiven Regenfällen der letzten Tage total aufgeweicht und eher schwierig zu befahren ist. Aber: unser Fahrer hat das prima im Griff und wir können entspannt unseren Gedanken nachhängen.

Vor dem Autofenster ziehen endlose Pinienplantagen vorbei. Diese Gegend von Argentinien lebt von der Viehzucht, vom Mate-Anbau und eben vom Pinienholz. Nachdem das Vieh die gesamte ursprüngliche Vegetation abgefressen hatte und fast alle Primärwälder gerodet waren, wurden Pinien angepflanzt. In Reih und Glied stehen sie da. Dicht an dicht wachsen die Bäume schnell und gerade in die Höhe. Nach 15 bis 20 Jahren können sie gefällt werden. Das Holz kann zu guten Preisen verkauft werden, eignet es sich doch hervorragend als Bauholz oder zur Herstellung von Möbeln.

Eine praktische Sache. Man pflanzt an und wartet. Das Holz verspricht guten Profit und gibt nicht viel zu tun. Auf den ersten Blick sind die Wälder auch für die Landschaft gut. Sie halten den Wind ab und stabilisieren den Boden. Die rote Erde hier ist ziemlich nährstoffarm. Auf offenen Flächen wird der Boden durch den Regen schnell weggeschwemmt. Die Wurzeln der Bäume geben der Sache etwas Halt.

Auf den zweiten Blick erscheinen diese Wälder aber seltsam. Die Pinienbäume sind hier eigentlich nicht heimisch. Zudem sind es Zuchtformen, die schnell und einförmig wachsen. Alle Bäume sehen unheimlich gleich aus. Ein Pinienwald sieht aus wie eines jener Maisfelder, die wir aus unseren Breiten kennen. Jede Pflanze gleich wie die andere. Exakt gleich hoch, exakt in Reihen gepflanzt. Tiere gibt es in diesen Wäldern nicht. Mit den Pinien können weder Vögel noch Insekten viel anfangen. Durch die dichte Bepflanzung sind die Wäldchen so dunkel, dass man schon wenige Meter vom Waldrand entfernt absolut nichts mehr sehen kann. Der Boden wird zwar durch die Wurzeln stabilisiert, letztlich laugen die Bäume aber die Erde zusätzlich aus. Wenn die Wälder gerodet werden, dann bleibt praktisch tote Erde zurück. Und da selbstverständlich mit schweren Maschinen gerodet wird, wird die Erde auch gleich noch zu festem Lehm verdichtet. Tote Wälder, trotz lebender Bäume.

Was für ein Kontrast bilden dazu die wenigen heimischen, ursprünglichen Wäldchen. Lichte Mischwälder mit Bäumen, die in Wind und Wetter je eine eigene, individuelle Form entwickeln konnten. Diese Bäume erzählen Geschichten, bieten Unterschlupf für Vögel und Schatten für die hiesigen Tiere. Wie so oft: Ökonomisch wertlos, aber ökologisch von maximalem Nutzen. So, wie es eben nur die Natur einrichten kann.

Der Kreis schliesst sich

Seit dem letzten Bericht sind wieder ein paar hundert Kilometer vergangen. Wir sind mit der Fähre spätnachts in Quellón angekommen und waren gottenfroh, bereits eine Unterkunft organisiert zu haben. Das war dann zwar eine ziemlich üble Absteige ohne Frühstück, aber nach der Fährfahrt wollten wir nur noch schlafen.

Am nächsten Tag dann herrliches Wetter. Gerade richtig, um Chiloé zu erkunden. Es gab noch so einiges zu sehen. Beispielsweise die Kathedrale von Castro, bzw. die Kirche von Nercón. Beide sehen aus wie normale Kirchen, wie wir sie in Europa auch kennen. Der Unterschied besteht aber darin, dass sie komplett aus Holz gebaut sind. Alle Säulen, der Altar, die Kanzel – alles komplett aus Holz. Es sieht so aus wie ein klassischer steinerner Kirchenbau – riecht aber wie ein Engadiner Arvenstübli.

Ganz im Norden übernachteten wir nochmals bei Erica. Wir hatten ihr Hostal ganz am Anfang unserer Reise kennengelernt. Wir haben die Ruhe genossen, die in ihrem Haus herrscht. Sie selbst ist den ganzen Tag in der grossen Küche am Werk und hat uns dementsprechend mit Spezialitäten aus der Gegend verwöhnt. Herrlich.

In besagter Gegend sind wir auch nochmals Pinguine gucken gegangen. Wir waren etwas spät dran, aber wir erwischten zum Glück gerade noch eine der letzten Touren. So konnten wir im goldigen Abendlicht einen Blick auf 4 Pinguinkolonien werfen, die es sich hier auf den Felsen gemütlich gemacht haben.

Dann ging es weiter nach Puerto Varas, wo wir nach einigem Suchen eine tolle Unterkunft fanden. Oben auf dem Hügel mit Panoramasicht auf die Vulkane, die sich hier schneebedeckt in die Landschaft einbetten. Nachdem wir ja auf der Fähre gar nix gesehen hatten, konnten wir jetzt endlich einen dieser berühmten chilenischen Vulkankegel bestaunen. Check!

Vorgestern haben wir dann unser Auto in Puerto Montt abgegeben. Nach exakt 8050 Kilometern. Der Toyota wurde seinem Ruf gerecht. Nicht das kleinste Problem. Etwas dreckig war er zwar, aber das brauchte uns ja nicht zu kümmern.

Von Puerto Montt, Chile, fuhren wir anschliessend im Bus und bei schönstem Wetter zurück nach Bariloche in Argentinien. Eine wunderbare Fahrt, olfaktorisch etwas getrübt durch den französischen Sitzbachbarn, der unbedingt seine Schuhe ausziehen musste. Ach wir höflichen Schweizer. Still und demütig haben wir es erduldet…

Von Bariloche dann mit dem Flugi zurück nach Buenos Aires. Und hier schliesst sich der Kreis. Beim Landeanflug ziehen wir eine wunderschöne Schlaufe über Downtown BA und den Frachthafen. Und wir können von oben zuschauen, wie die Paranagua Express just in diesem Moment wieder anlegt. Sie war inzwischen zurück in Hamburg und hat neue Container für BA mitgebracht. Was für ein Zufall, dass sie in diesen Minuten grad wie wir ankommt. Zu blöd, dass wir alle elektronischen Geräte ausgeschaltet haben. So können wir diesen Moment halt nicht fotografisch festhalten.

Damit könnte unsere Reise nun zu Ende sein. Ist sie aber nicht. Dieser Bericht entstand gestern. Heute sind wir schon wieder einen Schritt weiter. Wo genau, verrate ich morgen.

Fähre fahren

Eigentlich ein guter Plan: Um nicht die ganze Strecke nach Puerto Montt mit dem Auto zurücklegen zu müssen, sind wir in Puerto Chacabuco auf eine Fähre gewechselt, die uns nach Quellón bringt. So können wir auch noch die Insel Chiloé etwas geniessen.
Aber eben. Immer wenn wir hier oben im Norden mit der Fähre unterwegs sind, dann schlägt das Wetter um. Wir sehen wieder mal gar nix. Dabei hätte es schneebedeckte Vulkane am Weg. Stattdessen sitzen wir 24 Stunden auf einer feuchten, aber innerhin geheizten Fähre fest und können durch die beschlagenen Scheiben schlichtweg gar nichts erkennen. Raus kann man auch nicht. Es regnet horizontal von allen Seiten. Hab ich den Wind schon erwähnt? Und die hohen Wellen?
Frau wird wie viele andere seekrank. Jetzt. Auf der Fähre. Nach 3 Wochen Frachtschiff. Mann ist einigermassen seefest, die zunehmend stickige und säuerliche Luft im Salon hilft aber nicht unbedingt.
Also ziehen wir uns ins Auto zurück. Aus irgendeinem Grund haben wir ja so ein Riesending. Ersatzrad raus unters Auto, Gepäck auf die Fahrersitze. Schlafsäcke raus und schon haben wir es einigermassen bequem. Und hier haben wir frische Luft. Das hilft. Wir schlafen und träumen von den Vulkanen.